Freitag, 20. März 2015

Geliebte Menschen muss man gehen lassen, wenn sie gehen müssen

Jeder von euch wird es kennen, selbst erlebt haben oder nachvollziehen können...
Wenn man einen geliebten Menschen verliert, ist nichts mehr wie vorher. Ich bin so direkt noch nie damit konfrontiert worden, bis jetzt. Ein Familienmitglied, was mir sehr am Herzen liegt, was mich seit meiner Kindheit beeindruckt, geprägt und unterstützt hat, ist am Ende des Lebens angekommen...
Noch kann ich es gar nicht richtig verstehen, geschweige denn akzeptieren, dass es bald vorbei sein soll, dass dieser Mensch, zu dem ich immer auf gesehen habe, den ich immer bewundert habe, nun so entkräftet die Welt verlassen soll...

Ich habe 7 Jahre in der Altenpflege gearbeitet, das heißt ich war tagtäglich mit Krankheit, Alter, Tot und Trauer konfrontiert. Ich habe schon so viele Menschen bis zu ihrem letzten Atemzug begleitet. Habe die Angehörigen betreut und getröstet und versucht die letzten Stunden so angenehm wie möglich zu machen.
Ich habe viel über das Sterben und über Trauer gelernt und dennoch bin ich grad selbst ein Häufchen Elend, wenn ich daran denke.
Schon immer habe ich zu einigen meiner Pflegeklienten eine besondere Bindung gehabt. Das lag vielleicht oft daran, dass ich mir stets die Zeit nahm, den alten Menschen zu zu hören. Ich war immer fasziniert davon, etwas aus ihrem Leben zu erfahren. Oft habe ich die Menschen bewundert, was sie schon alles erlebt und geschafft haben. Und immer wieder war ich über den Optimismus dieser Menschen erstaunt. Viele hatten in ihrem Leben alles aufgeben müssen, leben in einem betreuten Wohnen oder in einem Heim. Jahrzehnte lang geschuftet, Haus und Hof nach dem Krieg wieder aufgebaut und die eigenen Bedürfnisse immer hinten an gestellt. Viele waren im Alter sehr unzufrieden. Ihre Situation, ob auf Grund von Krankheit oder mangelnder Zeit und Kraft der Angehörigen. Es gab aber auch die, die stets zufrieden, stets genügsam und dankbar waren. Was habe ich diese Menschen bewundert. Unter schwierigsten Bedingungen leben, außer ein paar Kleidungsstücke, eine Kommode und ein paar Schmuckstücke, kein Eigentum mehr, Sehnsucht nach Familie und Kindern oder bereits Verstorbenen, gezeichnet durch Alter und Krankheit und dennoch immer ein müdes Lächeln und ein Danke auf den Lippen.

Ein würdevoller Tod, das ist das was wir alle zu unserem Lebensabend haben möchten. Aber was ist ein würdevoller Tod eigentlich? Wie kann man als Angehöriger oder als Pfleger einen würdevollen Lebensabend gestalten?

Durch meine Erfahrungen in der Pflege, bin ich immer wieder an das Hindernis geraten, dass Angehörige ein anderes Verständnis für den Lebensabend hatten, als die alten Menschen selbst. Ich rate deswegen JEDEM!!!! von euch sich mit Eltern, Großeltern oder anderen Angehörigen zusammen zu setzen und ernsthaft darüber zu sprechen!!! Es ist nichts Schlimmes über den Tod zu reden! Er tritt früher oder später ein!! Und wenn man sich nicht damit auseinander setzt, ist es umso schwerer, wenn der Fall eintritt. Ihr solltet euch über Wünsche und Bedürfnisse klar sein, die der Mensch im Falle seines Ablebens hat. Eine Patientenverfügung kann da schon einiges erleichtern. Viele lehnen lebenserhaltende Maßnahmen grundsätzlich ab. Das ist völlig ok und kann jeder nachvollziehen. Aber der Arzt, die Pfleger/innen und Mitwirkenden sind dazu verpflichtet Leben zu retten, Leben zu erhalten! Was also, wenn keiner da ist, der für euch entscheiden kann? Was also wenn ihr euch nicht mehr äußern könnt und gegen euren Willen gehandelt wird?

Wer macht sich als junger Mensch schon Gedanken über den Tod? Ganz klar: kaum einer! Aber manchmal tritt er doch schneller ein, als man denkt!

In meinem Fall ist es gerade sehr schwer, weil alle Beteiligten mit leiden und ich so unmittelbar damit konfrontiert bin...die ganze Professionalität, die ich all die Jahre in solchen Situationen angewendet habe, ist ganz und gar verschwunden. Die Bindung ist einfach zu stark. Ein Mensch der einen vom Kleinkindalter begleitet hat. Dieser Mensch war für mich immer ein Vorbild. Weise, korrekt, ehrlich und fleißig. Stets bemüht, dass es jedem an nichts fehlt. Eigenschaften, die ich selbst auch alle haben wollte und teilweise auch habe.

Das Schlimmste an der Sache mit dem Tod ist immer noch, wenn man weiß, dass die geliebten Menschen irgendwie leiden müssen oder mussten. Wenn man eins will, dann dass man sterben kann, ohne zu leiden. Am Besten einfach einschlafen. Aber so einfach ist das meist nicht. Vor allem wenn Krankheit und Schwäche noch mitwirken.

Wenn der Fall der Fälle eintritt und ein geliebter Mensch geht, fällt man meist in eine Art Schockzustand. Man fühlt nichts, man denkt nichts, man kann keine Emotionen zeigen. Ein gewisses Gefühl von Leere ist vorhanden. Das Gehirn versucht diese schreckliche Nachricht erst zu ignorieren. Oder sie wird geleugnet. Mit Worten: "Das kann doch nicht war sein" oder "Das glaube ich nicht" zeichnet sich diese Phase besonders deutlich ab.  Das ist die erste Phase der Trauer. Die kann bei jedem unterschiedlich lang andauern. Bei einigen sind es nur ein paar Minuten, bei anderen dauert diese Phase tagelang an.
Doch früher oder später setzt der Schmerz mit voller Wucht, wie ein ungebremster Faustschlag eines der Klitschko-Brüder ein. Oft sind es nicht nur seelische Schmerzen, sondern auch körperliche. Ob nun Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, Herzrasen , Schlaflosigkeit oder andere. Der ganze Alltag ist plötzlich nicht mehr derselbe. Wie durch eine Plexiglaswand nimmt man alles wahr. Man kann nicht essen, nicht denken, nicht richtig kommunizieren, das ganze Wesen wird von einem unausprechlichem Verlust beherrscht und steuert einen durch den Tag. Dieser Gedanke, dass der geliebte Mensch weg ist, ist zerreißend. Emotionen treten meist mit großer Intensität auf und bringen einen selbst völlig aus der Fassung. Gefühle wie Verlustschmerz, Einsamkeit, Angst, Wut oder aber auch Freude und Erleichterung, wenn der Verstorbene beispielsweise einen langen Leidensweg hinter sich hatte. Oft sind diese aber mit Schuldgefühlen und schlechtem Gewissen kombiniert.
Die Momente von Wut und Zorn können sich oft gegen Dritte richten. Diese Emotionen werden oft auch als Heilung angesehen, da sie verhindern, dass man zu sehr in die Depressionen verfällt.
Der Trauernde sollte also keinesfalls seine Gefühle unterdrücken, damit er nicht in der Phase der Trauer stecken bleibt.
Wenn man aber über die zweite Phase der Trauer nicht hinwegkommt und man untypische Verhaltensweisen aufweist, sollte man definitiv drüber nachdenken sich Hilfe zu suchen. Es ist keine Schande, den Tod eines geliebten Menschen nicht zu verkraften. Aber es ist eine Schande daran kaputt zu gehen!
Nach und nach versuchen man sich damit auseinander zu setzen. Man denkt an schöne Zeiten, an lustige Momente, muss auch mal darüber schmunzeln. Im nächsten Augenblick ist man wieder traurig, weil einem bewusst wird, dass diese Momente der Vergangenheit angehören.
Es muss einem bewusst werden, dass das Leben noch einen Sinn hat und dass sich trotz dieses schmerzhaften Verlustes die Welt weiterdreht. Oft werden gemeinsam bereiste Orte, Andenken oder andere Erinnerungen intensiv wieder erlebt. Oft kann auch hierbei Wut und Zorn auftreten, die bei der Bewältigung helfen können.
Viele Menschen neigen dazu, sich in die Erinnerung mit dem Verstorbenen zurück zu ziehen indem sie sich ihre eigene Traumwelt schaffen, in der der Verstorbene noch lebt. Somit wird bspw der Tisch für die Person immer mit gedeckt, die persönlichen Sachen bleiben unverändert, man redet mit ihm/ihr. Dauert diese Phase zu lange an, kann der trauernde Mensch der Wirklichkeit und dem realem Leben entfremden und bleibt in der Phase gefangen.
Die vierte und letzte Phase der Trauer. Der Trauernde hat den Verlust des Verstorbenen als Realität akzeptiert, er ist zu einer inneren Figur geworden, der im realen Leben nicht mehr vorhanden ist. Nun kann der eigene Bezug zum Leben, zum Alltag und zu Mitmenschen wieder aktiv gestaltet und erlebt werden.Auch die Erfahrung, dass man einen solchen schweren Verlust bewältigen konnte, ist ein wichtiger Schritt zum Fortschreiten im Leben. Der Trauernde hat erkannt, dass Verlust zum Leben dazu gehört und dass man diesen auch bewältigen kann.

Der Theologe Yorick Spiegel hat mit seiner Habilitationsschrift „Der Prozeß des Trauerns. Analyse und Beratung“ aus dem Jahr 1972 ein ebenfalls vierphasiges Modell vorgelegt, welches die Schwerpunkte jedoch ein wenig anders setzt als Verena Kast. Er orientiert sich mehr an den Gefühlen und dem Umgang damit und beobachtet dabei unterschiedliche Verhaltensweisen, die für die Phasen charakteristisch sind.

Diese Phase setzt unmittelbar nach dem Erhalt der Todesnachricht ein und lässt die Menschen in einen Zustand der Lähmung verfallen. Wie groß der Schock ist und wie lange diese Phase dauert (einige Stunden oder wenige Tage), hängt unter anderem davon ab, ob der Tod erwartet wurde  - aufgrund einer Krankheit oder hohen Alters -, oder ob er völlig unerwartet eingetreten ist – Unfall, Suizid oder ähnliches.
Die Reaktionen während dieses Schocks können sehr unterschiedlich sein. Manche Menschen nehmen ihre Umwelt gar nicht mehr wahr und sind kaum ansprechbar, andere brechen völlig zusammen, wieder andere widmen sich Routinetätigkeiten, als wäre nichts geschehen. In dieser Phase werden die Betroffenen meistens von Angehörigen und Freunden unterstützt, die ihnen auch dabei helfen, ihre Emotionen zu kontrollieren – was den Übergang zur nächsten Phase einleitet.

Gerade in den ersten Tagen nach einem Todesfall muss der Mensch trotz des möglichen Zusammenbruchs seiner Welt funktionieren und agieren, da es neben der Beerdigung unzählige Dinge zu erledigen gilt. Daher werden in dieser Phase durch eigene und fremde Aktivitäten die Emotionen kontrolliert, um einen möglichen Zusammenbruch zu verhindern und notwendige Dinge erledigen zu können.
Der betroffene Mensch versucht selbst, seine Emotionen unter Kontrolle zu halten, und er wird dabei von Angehörigen und Freunden aktiv unterstützt. Der Trauernde soll so entlastet werden, damit er die eigenen Kräfte zur Selbstkontrolle aufbringen kann. Die starke emotionale Selbstkontrolle in Verbindung mit den geschäftigen und hektischen Tagen kurz nach einem Todesfall erzeugt beim trauernden Menschen allerdings eine gewisse Distanz, als zöge ein Film an ihm vorüber, an dem er nicht beteiligt ist. In dieser Phase der Kontrolle stellt sich oft ein Gefühl der Leere ein, da man die Emotionen ja zurück gestellt hat und deshalb nichts so richtig spüren kann. Die kontrollierte Phase endet meistens nach der hektischen Zeit bis zur Beerdigung, wenn Verwandte und Freunde wieder abgereist sind.

Der Alltag ohne den Verstorbenen setzt ein, und die intensive Hilfe und Unterstützung der ersten Tage sind nicht mehr in diesem Umfang vorhanden. Nun wird der Trauernde mit aller Macht mit dem Alltag ohne den verlorenen Menschen konfrontiert, er zieht sich von der Welt zurück, verspürt eine Fülle unterschiedlicher Emotionen und fühlt sich ob des Zusammenbruchs seiner Welt oft hilflos und gelähmt.
Hilfsangebote und Aufmunterungsversuche von Freunden und Angehörigen werden zwar einerseits gewünscht, andererseits aber doch oft abgelehnt, weil sie zum Teil als sinnlos oder als zu anstrengend empfunden werden. In dieser Phase fühlt sich der Trauernde weder der Welt der Lebenden so richtig zugehörig noch der untergegangenen Welt mit dem Verstorbenen, von dem er sich noch nicht gelöst hat; er versinkt in Hilflosigkeit, Depression und Verzweiflung und verspürt ein Gefühl der Unwirklichkeit.
In dieser Phase werden die trauernden Menschen oft von Schlaflosigkeit geplagt, die eine permanente Müdigkeit und Mattigkeit zur Folge hat. Auch Appetitlosigkeit und ein Mangel an Antriebskraft stellen sich ein, oft ist allein das Anziehen ein schwerer und anstrengender, irgendwie sinnloser  Schritt. Zur inneren und äußeren Entlastung greifen etliche Menschen dann zu Hilfsmitteln wie Tabletten, Drogen oder Alkohol, was zu einem echten Problem werden kann, wenn dies zu häufig oder zu lange geschieht.

Langsame Rückkehr ins Leben und neue Beziehungsfähigkeit. Der Trauernde versucht, langsam wieder in sein altes Leben zurückzukommen, aber der Verlust wird immer im Herzen bleiben. Doch der Trauernde kann sich nicht ewig zurückziehen.
Die Trauerbewältigung läuft in dieser Phase keineswegs kontinuierlich ab: Kurzzeitige Rückschritte in vorherige Stadien des Trauerprozesses sind möglich. Dabei kann die ganze Schwere der Trauer wieder da sein, doch klingen die Abschnitte meist schneller ab.
(Quelle: Trauerphasen.de)

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